Andy Guhl · Künstler Musiker Architekt
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ST.GALLER TAGBLATT
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Donnerstag, 24. August 2006
werk-platz
Magier der Resten
Zu Besuch beim Architekten und Ton-Bild-Künstler Andy Guhl am Mühlesteg
in St. Gallen
Dass hier in einem städtischen Atelier ein Tüftler und Bastler sein
Revier eingerichtet hat, ist an
den mit technischen Zivilisationsresten gefüllten
Regalen und den langen Werktischen mit Kabeln,
Lampen und Lämpchen, Batterien,
Transformern und Schaltungen zu erkennen. Dass ein Künstler
und Musiker
hier nach der Ästhetik des Zufalls und seinen Klängen und Bildern
forscht, lassen die
gleichen Hinweise erahnen. Es könnte sich aber auch
gut um einen Ort der Reparatur handeln,
wie es ihn in Ländern der ständigen
Neuanschaffungen eigentlich nirgends mehr gibt.
Psychedelisch stimmende Bilder gleiten über Bildschirme, die zu einer
geschlossenen Skulptur
gefügt
sind. Die Arbeit im Eingangsbereich war
Teil einer installativen Performance im «Kaskadenkondensator»
in
Basel zusammen mit Jürg Rohr und Marianne Rinderknecht.
Rohmateriallager
«Ich sammle gerne», gibt Andy Guhl unumwunden zu und freut sich über
die Atelier-Installation, die
sich durch die Räume zieht. «Auch macht
es richtig Spass, Material in die Hände zu nehmen, Formen
zu greifen und
damit zu arbeiten.» Liebevoll wiegt er ein fettes Prisma in der Hand.
Viel Experimentierfreude prägt das akustische und optische Labor. «Grosse
Erfindungen der Geschichte
werden oft per Zufall gemacht. Zielstrebigkeit kann
hinderlich sein. Mit mehr Offenheit werden Wege
eingeschlagen, die nicht bekannt
sind, die aber beste Lösungen für Probleme bieten können»,
präzisiert
Andy Guhl seine Arbeitsweise. Dass aus Dekordioden und Veloleuchten
wie bei der Arbeit «Dis-play», die
als Prototyp im Atelier bereit
liegt, Musik werden kann, freut ihn diebisch.
Wie Jäger- und Sammlerarbeit kann sein Tun gesehen werden, wenn er nach
verborgenen Ton- und
Bild-Reichtümern sucht oder unter Autobahnbrücken
Klänge und Rhythmen birgt. «Mich interessieren
die Energien, die
neben den primären Funktionen auch noch in Gegenständen eingelagert
sind. Ich tüftle
und forsche, um diese wahrnehmbar zu machen.» Was
Andy Guhl entdeckt, notiert er in Skizzenbücher.
Seit der Auflösung der Musikgruppe «Voice Crack» und dem
Duo Möslang/Guhl vor drei Jahren tritt er mit
der weiterentwickelten «geknackten
Alltagselektronik» «The Instrument» solo auf. Das auf Wände
projizierte
Licht übersetzt Andy Guhl mittels Sensoren in Klänge,
bearbeitet die Licht- und Schallwellen mit Prismen,
Magneten, Berührungen,
Verschiebungen. Die Koppelung von Licht und Ton und Bild erweckt den Eindruck
von Übereinstimmungen
zwischen den akustischen und visuellen Signalen und den Handlungen des Künstlers,
die
dieser jedoch subversiv und irritierend wieder auflöst.
Elektromagnetische Malerei
Seit vier Jahren arbeitet Andy Guhl auch mit Charlotte Hug zusammen. Mit dem
Projekt «Quasar» wird das
Bratschenspiel der Musikerin, Komponistin
und Künstlerin in Bilder umgeformt, die an der Musik zu haften
scheinen.
Der Künstler spricht von «elektromagnetischer Malerei».
Selten vereinen sich Neue Musik,
Performance, Installation und zeitgenössische
Kunst so symbiotisch.
Auch historische mikroskopische Präparate von einem Ameisenlöwen
oder einem Hundehirn gehören in
die Guhl'sche Sammelstelle. Mittels Spiegel
an die Wand projiziert, zeigen sie eine den elektronisch erzeugten
Bildübertragungen überraschend ähnliche Ästhetik.
Daraus könnte ein künftiges Projekt wachsen, über jene
verschlungenen
Wege, die nicht vom Ziel, sondern von der Neugierde gelenkt werden. «Die
elektronischen
Bilder und Klänge mit diesem Mikrokosmos zusammenzubringen,
reizt mich sehr», sagt Andy Guhl.
Der Magier forscht den unsichtbaren Verbindungen von Formen und Tönen
nach, vertont Farben, färbt Töne,
macht Hörbares sichtbar, um
es handkehrum wieder in ihre geheimen Welten zu entlassen. Andere Frequenzen
ergeben
andere Bilder. «So staune ich immer wieder selber, was ich alles
finde.»
Vorerst geht Guhl intensiv hinter die «Dis-Play»-Montage. 50 batteriebetriebene
Objekte müssen auf die
St. Galler Museumsnacht am 9. September hin gebaut
und abgestimmt werden, damit sie als «Fil rouge» an
den Eingängen
mit Licht und Klang wachen, irritieren und erfreuen. Auch am Ostschweizer Kunstschaffen
tüfteln
die Gedanken herum, und bereits fliegen sie in Drehbewegungen
als Sound und Kameraaugen durch die reich
bespielten Ausstellungsräume.
Ursula Badrutt Schoch
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